„Der Streit um die Westbalkanstaaten und die Situation rund um die Türkei zeigen ganz deutlich, dass wir eine Reform des EU-Beitrittsprozesses dringend brauchen. Das Modell, dass einmal begonnene Gespräche am Ende zwangsläufig zur EU-Vollmitgliedschaft führen, funktioniert nicht mehr. Es müssen künftig Partnerschaftsmodelle unterhalb der Vollmitgliedschaft möglich sein. Das wäre auch der inneren Stabilität der EU zuträglich“, so der CSU-Europaabgeordnete, Markus Ferber.
Markus Ferber begrüßt, dass die französische Regierung die Debatte vorantreibt und eine Reihe von Vorschlägen zur Reform des Beitrittsprozesses gemacht hat. Dazu gehören unter anderem, die Verhandlungen mit grundsätzlichen Fragen wie der Rechtsstaatlichkeit zu beginnen, eine Art Stufenverfahren, das auch wieder umkehrbar ist.
„Wenn es in einem Land wie der Türkei nur noch Rückschritte bei Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit gibt, muss es für die EU auch möglich sein, die Reißleine ziehen zu können und den Prozess abzubrechen. Das französische Papier zielt vor allem auf mehr Flexibilität im Beitrittsprozess. Damit greift Macron alte CSU-Forderungen auf. Nur wenn die EU flexible Modelle unterhalb der Vollmitgliedschaft wie die privilegierte Partnerschaft anbieten kann, können wir im geostrategischen Wettbewerb mit China und Russland mithalten. Die Kommission täte gut daran, sich die französischen Vorschläge genau anzuschauen.“
Ehrlicher Umgang mit Balkanstaaten
„Aus europäischer Sicht gilt es fraglos, die Balkanstaaten langfristig an Europa zu binden. Das liegt im geopolitischen Interesse der EU. Zu einem ehrlichen und respektvollen Umgang miteinander gehört aber auch, dass man eben keine falschen Hoffnungen weckt, wo sie nicht gerechtfertigt sind“, resümiert Ferber. „Solange nicht alle Vorbedingungen erfüllt sind, braucht es glaubwürdige Instrumente unterhalb der EU-Vollmitgliedschaft, die für die beitrittswilligen Länder attraktiv sind und echte Fortschritte bei der Annäherung mit sich bringen. Hier muss die neue Kommission und Mitgliedstaaten kreative Lösungen entwickeln.“
Rumänien und Bulgarien als mahnendes Beispiel
„Wir haben gesehen, wohin es führt, wenn man Länder in die EU aufnimmt, die eigentlich noch nicht dazu bereit sind. In Bulgarien und Rumänien gibt es auch zwölf Jahre nach dem EU-Beitritt noch immer erhebliche Probleme mit Korruption, Rechtsstaatlichkeit und organisierter Kriminalität. Das sollte uns eine Mahnung sein: Wir mussten in den letzten Jahren bereits öfter schmerzhaft erfahren, was es bedeutet, wenn innerhalb der EU das Vertrauen in den Rechtsstaat der Mitgliedstaaten getrübt ist“, so der CSU-Europaabgeordnete.