„Allein der Umstand, dass die Europäische Kommission heute über neue Schuldenregeln nachdenkt, ist Ausdruck ihres eigenen Scheiterns. Wenn die Kommission die Schuldenregeln von Anfang an, konsequent durchgesetzt hätte, bräuchte es nun keine Reform“, so der CSU-Europaabgeordnete und wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Markus Ferber, anlässlich der heute von der Europäischen Kommission vorgestellten Mitteilung zu den EU-Schuldenregeln. Auf diese Mitteilung sollen im kommenden Jahr konkrete Legislativvorschläge folgen. Angesichts der hohen Staatsverschuldung in nahezu allen EU-Mitgliedstaaten und des steigenden Zinsniveaus sieht Ferber Gefahr im Verzug: „Wir steuern mit hohem Tempo auf die nächste Staatsschuldenkrise zu. Was wir nun gar nicht gebrauchen können, ist mehr Flexibilität bei den Schuldenregeln.“ Mangelnde Durchsetzung, nicht mangelnde Flexibilität ist das Problem: Skeptisch sieht Ferber entsprechend den Ansatz künftig über flexiblere, länderspezifische Vereinbarungen operieren zu wollen: „Der Stabilitäts- und Wachstumspakt hat kein Flexibilitätsproblem, sondern ein Vollzugsproblem. Die Lösung kann nun nicht darin bestehen, dass sich jeder Mitgliedstaat seinen Abbaupfad faktisch selbst aussuchen kann. Der Corona-Krisenfonds verfolgt ein komplett anderes Ziel als das EU-Schuldenregelwerk und ist deshalb auch keine geeignete Blaupause.“ Entsprechend kritisiert der Wirtschaftsexperte: „Die Vorschläge der Kommission sind vor allem dann schwach, wenn es darum geht, Schuldenregeln wirksam durchzusetzen. Das beste Regelwerk ist ein stumpfes Schwert, wenn es nicht durchgesetzt wird. Die Kommission braucht echte Folterinstrumente, die sie dann auch bereit ist, zu benutzen.“ Ferber sieht hier jedoch ein grundsätzliches Dilemma: „Die Kommission sieht sich einerseits als politisches Organ, müsste andererseits aber neutraler Schiedsrichter sein. Einen Schiedsrichter, der nicht bereit ist, eine Karte zu zücken, wird die Regeln aber nicht durchsetzen können.“ Der Europaabgeordnete wäre entsprechend bereit, auch noch einen Schritt weiter zu gehen: „In der Kommission gibt es schlichtweg zu viele Interessenkonflikte. Wenn man konsequent wäre, müsste man die Aufsicht über die EU-Schuldenregeln einer komplett unabhängigen Behörde übertragen.“ Bundesregierung in schwieriger Ausgangssituation: Der CSU-Finanzexperte sieht die Bundesregierung in den Verhandlungen über die Zukunft der europäischen Schuldenregeln in einer schwierigen Ausgangssituation: „Berlin beginnt die Verhandlungen über die Zukunft der europäischen Schuldenregeln mit einem Schattenhaushalt von 200 Milliarden Euro. Nach dem ‚Doppelwumms‘ kann Lindner nur noch schwerlich für Schuldendisziplin werben. Das ist ein problematischer Präzedenzfall.“ |