"Die politische Situation in Griechenland ist äußerst instabil", so das Resümee des Europaabgeordneten Markus Ferber, der zu politischen Gesprächen in Athen war. "Weder kommen die Verhandlungen in Brüssel mit den Geldgebern voran, noch ist die Bevölkerung von der Regierung auf bevorstehenden Reformen, die sich aus einer Vereinbarung in Brüssel zwangsläufig ergeben."
Bei Gesprächen mit verschiedenen Abgeordneten des griechischen Parlaments wurde deutlich, dass es innerhalb der Regierungspartei Syriza eine erhebliche Zahl von Abgeordneten gebe, die jegliche Reformen grundsätzlich ablehnen, so dass eine Umsetzung von möglichen Vereinbarungen mehr als gefährdet sei.
Ferber appellierte insbesondere an die Oppositionsparteien, im Interesse des Landes Verantwortung zu übernehmen. "Weder Neuwahlen, noch politische Ränkespiele sind jetzt die Lösung", so Ferber. "Vielmehr muss jetzt alles dafür getan werden, dass die Regierung endlich zu der Erkenntnis kommt, dass weitere Reformen notwendig sind". Ferber nannte dabei insbesondere eine Reform des Justiz- und des Bildungswesens und eine Neuausrichtung der sozialen Sicherungssysteme. "Es geht nicht um Kürzungen in diesen Sektoren, sondern um wirkliche Reformen, die dauerhaft zu stabilen Systemen führen", betonte Ferber.
"Ich bin doch überrascht, dass in Griechenland mehr über Eurobonds oder eine Art Länderfinanzausgleich zwischen den Euro-Staaten nachgedacht wird, als über eine wirkliche Reform des griechischen Staatswesens", so Ferber.
In einem Gespräch mit einem griechischen Meinungsforschungsinstitut wurde Ferber deutlich gemacht, dass fast 90 Prozent der Griechen ihren eigenen Staat als reformunfähig und als Ursache für die dauerhafte Krise ansehen. "Dies sollte eigentlich alle politischen Kräfte in Athen wach rütteln, um in einer gemeinsamen Kraftanstrengung dafür zu sorgen, dauerhaft aus der Lähmung des Staates zu kommen", betonte Ferber. "Ich mache mir große Sorgen, ob es überhaupt mit dieser Regierung zu einer Vereinbarung aus europäischer Ebene kommen kann und wenn ja, ob die Zusagen dann auch wirklich umgesetzt werden.
Besonders unangenehm überrascht hat mich die Tatsache, dass ich mehr auf ein mögliches drittes Hilfspaket angesprochen wurde, als über die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem zweiten Paket zu diskutieren. Allein das zeigt doch, welche Wahrnehmungsprobleme in Griechenland vorhanden sind", so Ferber abschließend.
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