„Die vergangenen Krisenjahre haben uns gezeigt, wie anfällig nicht nur unsere europäischen Gesundheitssysteme, sondern auch die Versorgungswege mit überlebensnotwendigen Medikamenten sind. Gerade Eltern mussten im vergangenen Jahr oft weite Strecken zurücklegen, um Hustensaft oder Fiebermedikamente für ihren kranken Nachwuchs zu besorgen. Dass die Kommission nun einen Vorschlag zur Neuregelung der europäischen Arzneimittel vorlegt und dabei einige der dringendsten Probleme im Bereich der Medikamentenverfügbarkeit anpacken will, ist daher grundsätzlich richtig. Der Teufel steckt wie so oft im Detail“, so der CSU-Europaabgeordnete und wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Markus Ferber. Neuregelungen zu Lasten der Verfügbarkeit? Momentan haben Pharmakonzerne, die ein neues Markenmedikament entwickeln, einen garantierten Zeitraum von zehn Jahren, in denen Drittanbieter keine markenlosen und oft günstigeren „Nachahmer“-Präparate vertreiben dürfen. Mit dem heute präsentierten Vorschlag geht die Kommission neue Wege bei der Entwicklung und Markteinführung solcher Medikamente. Die Entwicklung besonders innovativer Heilmittel oder solcher, die gegen seltene Krankheiten wirken, soll für die Pharma-Unternehmen attraktiver gemacht werden, indem der garantierte Schutzzeitraum länger ausfällt. Bringt ein Unternehmen seine zugelassenen Medikamente nicht zeitgleich in allen Mitgliedstaaten auf den Markt, muss es hingegen mit Einschnitten beim Schutzzeitraum rechnen. „Die Entwicklung und Einführung neuer Medikamente ist wichtig und für Betroffene ein gigantischer Fortschritt. Die Kommission bleibt aber Antworten auf die Frage schuldig, wie die derzeitigen Versorgungsengpässe angegangen werden sollen. Die Pflicht zur gleichzeitigen Einführung von Medikamenten in allen Mitgliedstaaten ist ein zweischneidiges Schwert. Im Zweifel werden sich Unternehmen dazu entscheiden, neue Medikamente erst zu dem Zeitpunkt auf den Markt zu bringen, wenn die Prozesse in allen Mitgliedstaaten abgeschlossen sind. Das kann im Extremfall bedeuten, dass ein innovatives Medikament in Deutschland über Jahre nicht zur Verfügung steht, weil in Rumänien die Zulassung stockt“, kritisiert Ferber. Auch unter Wettbewerbsgesichtspunkten hat Ferber Bedenken: „Ein solches Verfahren stärkt vor allem die großen Hersteller, die genug Ressourcen haben, um in 27 Mitgliedstaaten parallel zu verhandeln.“ Strategische Autonomie und Wettbewerbsfähigkeit nicht aus den Augen verlieren „Schon in der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass Europa nicht mehr in der Lage ist, sich selbst mit grundlegendem medizinischen Material zu versorgen oder wichtige Medikamente wie Antibiotika in ausreichender Menge selbst zu produzieren. Neue Regularien dürfen nicht dazu führen, dass Pharmakonzerne ihre Forschungs- und Entwicklungsabteilungen oder ihre Produktion weg aus Europa und in andere Teile der Welt verlagern. Es ist wichtig, dass die Kommission bei der Neufassung, die in den letzten Jahren so oft beschworene strategische Autonomie und Wettbewerbsfähigkeit nicht aus den Augen verliert“, fordert der CSU-Europaabgeordnete. |